“Ich will in eine höhere Gruppe” – Warum sprachliche Homogenität so wichtig ist
Wiederholt wünschen sich Sprachlernende die Teilnahme in einer Lerngruppe, deren Sprachlevel höher als der eigene ist. Dieser Wunsch basiert auf dem Trugschluss, dass dadurch schnellere Fortschritte erzielt werden können und wird von den Beteiligten oft sehr vehement verfolgt.
Warum ist dieser Lernansatz ein Trugschluss? Warum wird er nicht funktionieren?
Grundsätzlich ist jeder Lernprozess vom aktuellen Wissensstand des Lernenden abhängig. Sport kann hier ein anschauliches Beispiel liefern.
Nehmen wir an, jemand möchte gerne Eishockey spielen lernen, kann jedoch nicht Schlittschuhlaufen. Dennoch besteht er darauf, dass er unbedingt im Training mitspielen möchte, mit Spielern die bereits gut Schlittschuhlaufen können. Denn er möchte ja Eishockey spielen, nicht Schlittschuhlaufen lernen.
In diesem Beispiel wird schnell deutlich, wie unsinnig der Wunsch ist, etwas zu erlernen ohne die notwendigen Vorkenntnisse zu haben. Genau diesen Ansatz verfolgen dennoch viele Menschen wenn es um das Sprachenlernen geht.
Sie erliegen dem Irrtum, dass das Lernen mit Menschen deren Sprachlevel höher ist, ihren eigenen Lernerfolg verbessern wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Um bei dem obigen Beispiel des Eishockeyspiels zu bleiben, stehen diese Menschen lediglich auf dem Eis und behindern die anderen Teilnehmer bei deren Spiel (Lernprozess).
Warum ist das so? Ein Blick auf gute Lehrverfahren liefert die Erklärung.
Effektives Sprachenlernen arbeitet mit erarbeitenden oder explorativen Lehrverfahren.
In diesen Trainingsformen stehen die Lernenden im Mittelpunkt und erarbeiten, mit Unterstützung des Trainers, auf sie abgestimmte Aufgaben. Der Ablauf des Trainings ist teils festgesetzt, teils flexibel und offen gestaltet. Der Trainer tritt in den Hintergrund, stärkt die Eigenaktivität der Teilnehmenden und nimmt eher eine unterstützende/beobachtende Position ein.
Das Ziel dieses Verfahrens ist die Bildung eines gemeinsamen Lernprozesses mit allen Mitgliedern einer Lerngruppe. Diese Methodik des communicative language teaching (CLT) begünstigt Kommunikation und den gezielten Erwerb sprachlicher Kompetenzen.
Daher ist es für ein sinnvolles Sprachtraining ungemein wichtig, dass der Sprachlevel in einer Lerngruppe homogen ist. “Homogen” bedeutet hier nicht “gleich”, sondern “gleichartig”. Dieser Unterschied ist sehr wichtig, denn ein homogener Sprachlevel kann durchaus Unterschiede in der Anwendung der Sprache beinhalten. Wichtig ist, dass diese Unterschiede sich noch im Rahmen des jeweiligen Sprachlevels befinden.
Ein oft vorkommender Fehler ist es, schnelles, “fließendes” Sprechen mit hoher Sprachkompetenz zu verwechseln. Es ist durchaus möglich und kommt auch häufig vor, dass Menschen schnell, frei, flüssig und FALSCH sprechen. Dass sie Wörter benutzen, die es gar nicht gibt. Dass die eingesetzte Grammatik völlig falsch ist.
Was aber passiert, wenn der Sprachlevel nicht homogen ist? Wenn z. B. jemand mit einem CEF Level von B1 unbedingt in einer B2 Gruppe, möglichst noch einer Gruppe im fortgeschrittenen
B2 Bereich lernen möchte?
Dieser Mensch wird auf dem Eis stehen bleiben. Nicht nur, dass er seinen eigenen Lernprozess vereitelt, er wird dadurch auch den Lernerfolg der anderen Gruppenmitglieder behindern. Denn die anderen müssen nämlich um ihn herumlaufen, er wird ihnen im Weg stehen. Sie können ihre Potenziale nicht komplett entfalten, weil der auf dem Eis stehende jeden Schlag mit dem Hockeyschläger, jeden Lauf des Pucks hemmen wird.
Deswegen ist es von enormer Bedeutung, dass Lernen in Gruppen immer nur in einem homogenen Umfeld stattfindet. Nur mit einem homogenen Sprachlevel ist ein effektiver, gemeinsamer Lernprozess möglich.